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Freitag, 2. Januar 2004
Das Duell - Teil 5
Fortsetzung von...
Nichts ist im Leben so, wie es scheint. Während zwei sich gegenseitig beeinflussende Körper des Himmels ihren gravitätischen Tanz vorführen, beginnt, sobald ein dritter Planet hinzutritt, das Chaos. Da bekanntlich jeder Mensch ein Universum ist, die Milliarden Universen sich in der einen Sekunde anziehen, in der nächsten abstoßen, ist die einzige Gewissheit die Ungewissheit.
Ich bedrängte Aysche, endlich vor ihren Eltern sich zu mir zu bekennen. Das führte aber dazu, dass sie sich immer mehr von mir zurückzog. Einmal musste ich etwas Orphisches wie, "lass uns in Zukunft miteinander leben", von ihr hören. Was wollte sie damit sagen?
Für diejenigen, die sich in der engen Welt der von der Türkei emigrierten Menschen nicht auskennen, ein kurzer Ausflug in die Ethnologie.
Die Winde, die durch das Land hindurchfegen, bestimmen den Charakter der jeweiligen Landschaft. Die Landschaft bestimmt den Charakter des Menschen. So bekämpfen sich die Himmelsrichtungen untereinander. Aysche ist aus Norden, ich bin aus Südosten. Eine fatale Geographie. Noch stärker aber ist der Einfluss der Religion. Wir beide entstammen sunnitischen Familien: Auf der Oberfläche eine Pattsituation...
Es gab einen Punkt, von dem an ich nicht mehr sagen kann, ob es die Liebe zu ihr war oder die Leidenschaft der Jagd, die mich dazu trieb, sie zu besitzen.
...
An einem Morgen ruft sie mich an und sagt das Frühstück ab, das wir in der Nähe ihrer Arbeitstelle zu uns nehmen wollten. OK denke ich, meine spießige Freundin wird mich heute versetzen. Da es mir Spaß macht, ihr Kurznachrichten zu kommen zu lassen (ja, ich besitze ein Mobiltelefon - nein nicht nur ein Telefon sondern mehrere Mobiltelefone) bombardiere ich sie mit sexuell stimulierenden Texten.
Irgendwann am Mittag, ich befinde mich auf der Autobahn, bekomme ich einen Anruf. Wenn ich die Nummer nicht kenne, dann nehme ich normalerweise das Gespräch nicht an. Da aber nur wenige meine Privatnummer haben, gehe ich doch dran.
Eine nervöse Männerstimme fragt: "Was willst du von meiner Frau?" Welche Frau, denke ich. "Wer sind Sie?" "Ich werde dich umbringen" antwortet die Stimme.
"Was?"
"Ich bin Aysches Ehemann!"
Da es nicht allzuviele Aysches in meinem Leben gibt, dauert es nicht allzu lange, bis ich darauf komme, um wen es sich handelt. Vieles wird mir nun klar.
Meine Schöne: Doch nicht so bieder wie ich dachte.
Plötzlich dringt ein wüstes Geschimpfe aus dem Hörer. Der Gehörnte will mich treffen, mich sehen und wohl auch ein bisschen töten. Zumindest sagt er das. Ich lege auf und schalte das Telefon ab.
Wer sich so intellektuell gibt wie ich, von dem erwartet man nichts Irrationales. Aber: Sein Leben zu schützen, als ob es das kostbarste Gut der Welt wäre: Das ist nicht rational.
"Scheiße" denke ich, ausgerechnet heute, wo ich die Leute aus Taiwan treffen muss. Ich rufe mit meinem Geschäftstelefon in Köln an und erzähle meinen Partnern, dass ich mich wegen Staus etwas verspäten werde.
Jetzt will ich sie erst recht. Sie hat für mich sehr viel gewagt. Sie ist nicht der Spießer, für den ich sie gehalten habe. Sie ist so charakterlos. Ich bin so charakterlos. Jetzt will ich sie erst recht.
Es fällt mir nie schwer, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Ich weiß, dass der Mann, der mich gerade bedrohte, bald bei Aysche auftauchen wird. So fahre ich zu ihrem Arbeitsplatz. Ich muss sie beschützen.
Sie hat mich ganze Zeit verblendet. Sie hat ein Theater aufgeführt. Sie hat mich belogen. Jetzt will ich sie erst recht.
Ich fahre auf den Parkpaltz des R.-Marktes, in dem meine Liebste arbeitet und halte dabei Ausschau nach einem Mann, dem es nach meinem Blut dürstet.
Treffer. Hinter dem Gebäude parkt ein Wagen. Da drin bewegt sich jemand. Ich fahre dorthin, halte neben dem Wagen an und steige aus. In dem Opel sitzt neben einem Mann Aysche. Ich reiße die Fahrertür auf und frage den Sitzenden, ob wir gerade nicht miteinander gesprochen hätten.
Er zittert. Meine Freundin, seine Frau schaut entsetzt. Eine solche Situtation hatte wohl niemand in Rechnung. Nur, er hat mich herausgefordert. Damit ist er zu weit gegangen. Ich zerre ihn aus dem Wagen und bemerke gleichzeitig, dass sich allmählich Zeugen zu uns gesellen. Als der arme Mann steht, beginnt er zu weinen. Auch dies hatte niemand in Rechnung.
Aysche, die sich wohl wieder im Griff hat, kommt aus dem Auto und wirft sich zwischen uns. Bestürzt muss ich feststellen, wie sie sich um den anderen kümmert. Sie schreit mich an. Was sie sagt, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Ich habe wohl gewonnen und verloren.
Nein, ich habe verloren.
Ich steige in meinen Wagen, fahre nach Köln.
Ende


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